Das letzte Buch, dass ich gelesen habe, stammt von der französischen Autorin Caroline Fourest und handelt von den Irrwegen und totalitären Setzungen vorgeblich linker -in realiter aber reaktionärer- Politik. Der Untertitel: Von der Sprachpolizei zur Gedankenpolizei. Über den wachsenden Einfluss linker Identitärer. Eine Kritik., umschreibt das Gebiet des dargebotenen Irrsinns und die Personengruppe recht gut.
Um auch die Verlotung eines Beitrags für dumme Menschen einfacher zu gestalten, reduziert man ja inzwischen auf das biologische Geschlecht, die Lieblingsform der praktizierten Sexualität sowie der ideologischen Verortung im politischen Lager, weil es ja immer um eben den Autor und nicht um den Text an sich geht.m(
Ist jetzt nicht mein Zugang zum Pfad der Erkenntnis, aber damit sich eben jeder dort abgeholt fühlt (oh weh, ist es schon wieder soweit, wird man jetzt in Deutschland wieder dort abgeholt, wo man steht…schlimm! 😉 ), wo er steht, mache ich es mal so.
Wie zu erwarten, wurde die linke, feministische und lesbische Autorin von den üblichen Verdächtigen so angegangen, wie man es inzwischen leider als Normsetzung im Diskurs mit der identitären Linken annehmen muss.
Da sammeln sich angebliche Linke mit den sumpfigen, reaktionärsten Islamapologeten gemeinsam unter der Flagge der ‚Ausgegrenzten‘ um eine gerechte Teilhabe (also ein Stück Kuchen mit Sahne) an der Opferolympiade zu erzwingen, um valide Kritik an diesen, sowohl Herrschaftsmechanismen der Religion, wie auch an den a priori gesetzten Opfer -und Täterrollen, die man zu spielen habe, mit totalitärem Nachdruck zu orchestrieren.
Das umreißt in etwas das Spannungsfeld in dem Frau Fourest ihr Buch -essayistisch- aufzieht.
Wer die letzten Jahre die Ohren auf Durchzug stehen hatte und Floskel wie token, cultural appropriation, cancel culture, deplatforming und viele weitere nicht zur Kenntnis genommen hat, der wird vermutlich bei den geschilderten Fakten ungläubig mit dem Kopf wackeln.
Ich hingegen muss gestehen, es waren leider nicht viele neue Ansichten für mich drin.
Die wichtigste hatte ich ja schon mal hier im Blog zitiert.
Es ist für sie der Kampf zwischen einem universalistischen, vereinigendem Ansatz gegen den, der geistigen Kleinstaaterei und zerfaserter Opfergruppensemantik, um es salopp zu formulieren.
In dieser Auseinandersetzung stehe sich zwei Konzepte von Antirassismus gegenüber, die einander bekämpfen: einerseits ein Antirassismus der eine Gleichbehandlung im Namen des Universalismus propagiert, andererseits einer, der eine besondere Behandlung im Namen der Identität einfordert. (ebenda S.42)
Mehr als die Hälfte des Buches machen letztlich Beispiele aus, mit denen sie den Grad des falsch eingeschlagenen Weges zu dokumentieren versucht. Das reicht dann von Theaterveranstaltungen die wegen angeblicher cultural appropriation nicht stattfinden sollen oder dürfen, auch, weil sie (oder Filme/ Serien) nicht mit den dazu passenden Menschen besetzt sind (weißer Mann darf nur weißen Mann spielen, Homo -oder Transsexueller nur einen Homo – oder Transsexuellen, Indigene nur Indigene etc.), über die heilige Inquisition an den amerikanischen (aber auch französischen) Unis(da das Bespiel mit dem Umgang des Evergreen College mit Bret Weinstein), was ich ja auch als einen meiner Initialzünder sah, diesen eingeschlagenen, identitären Weg als gefährlich anzusehen.
Ihr feministischer Ansatz hingegen hat sich mir eher als belustigend dargestellt. So nennt sie eine amerikanische Uni, an der nur Frauen als Studenten sind, zwar als von dominanten bösen Männern verschontes positives Beispiel, zeigt sich aber überrascht, dass dort ein hohes Maß an Segregation anzutreffen ist (sie zieht da die Analogie zu ‚Orange is the new black, da sitzen im Knast in der Kantine auch nur die Schwarzen, die Weißen, die Latinas zusammen), dort die lesbischen, weißen Frauen, dort die Schwarzen etc., die sich gegenseitig (argwöhnisch) meiden um die anderen bloß nicht ausversehen ‚kulturell zu verletzen‘ oder deren ’safe space‘ durch microaggression zu gefährden. Ein übergreifendes Lernen schien ihr da gar nicht möglich, das Klima hatte mehr Ähnlichkeit mit Furcht bei stalinistischen Schauprozessen als mit dem seligen Hort von Wissenschaft.
Sie lobte sich dann selbst, weil sie dort so toll Gastvorträge gehalten hat, in denen sie keine Rücksicht auf vorgeschobene ‚Opferrollen‘ nahm, weswegen die lernbegierigen jungen Leute sich aus ihren selbstverschuldeten Rollen gelöst hätten und wieder so etwas wie ein Diskurs möglich gewesen sei (dortige Dozenten hätten mit Tränen in den Augen gedankt, sie habe Stoffe und Thematik angesprochen, die diese sich -auch wegen Angst vor den Studenten und in Konsequenz ihrer Anstellung an der Uni- seit Jahren nicht mehr getraut hätten zu unterrichten). Puh, das klang etwas *selbstbeweihräuchernd* …nun ja, war aber bestimmt so.
Mich erheiterte, das ihre feministische Sicht da, ganz brachial runtergebrochen, letztlich davon überrascht schien, dass Frauen alleine und untereinander halt schlicht auch so Fotzen sein können und es eben auch sind – ein mit der Realität kollidierendes Menschenbild bei dem a priori scheinbar davon ausgegangen wird, Menschen, nur weil sie eine Mumu haben, seien eben doch anders oder schlicht besser. Vielleicht war das aber auch nur meine misogyne Lesart und sie unterstellt doch nicht per se allen Männern pauschal das Problem für jeden Konflikt auch den nur unter Frauen verantwortlich zu sein.
Als Konklusion kann man wohl festhalten, was sie aus meiner Sicht treffend macht, linke identitäre Politik ist massiv kontraproduktiv und spielt meist den rechten (identitären) in die Hände, die sich dann, bei der Abwehr dieser überzogenen Formen noch als Verteidiger der Freiheit aufspielen können.
Ich ergänze mal -und vermutlich entgegen ihrer Intention: zu Recht.
Sie kritisiert, dass Universitäten (besonders USA, aber eben auch in weiten Teilen Frankreichs) inzwischen zu Orten der Angst und des Opferterrors verkommen sind, freier Diskurs nicht mehr stattfinden könne und mindestens eine Generation durch die (Weg durch die Instanzen!) an Schlüsselpositionen sitzenden Verfechter einer linken Identität in Kultur, Medien und Universitäten in der Lehre gefestigt sei, obwohl eben nur ein kleiner Teil der Gesellschaft diese Idelologie für eine gute Idee hält.
Sie beklagt die Empfindlichkeit der Generation millenial, lobt aber auch deren Hang zu einer möglichen, gedachten Gerechtigkeit, nebst Wissensaneignung – findet aber die Art mit der dies geschieht, mit der Verengung auf Opferrollen und dem Hang zum Autoritären gefährlich und sieht sie als Gegnerschaft zu einer freien Gesellschaft.
Sie macht den Vorwurf, dass das eigentlich richtige Beharren auf Antirassismus, Feminismus, ‚Diversity‘ so wie es durch die identitäre Linke stattfindet, so desavouiert wird, macht gleichzeitig aber klar, dass es sich dabei nicht (wie ich es manchmal überspitzt gerne tue) lediglich um nachrangige, bürgerliche Formen handelt, sondern um elementare für die Gesellschaft, um die man kämpfen müsse um emanzipatorisch voran zu kommen.
Aber, und das ist das wohltuende an diesem Buch, sie legt halt den Fokus deutlich auf ein Klassenverständnis vor einem Rassenverständnis, wie ich es ja auch versuche darzulegen, auch, weil ich die Vorstellung und Reproduktion des Rassenbegriffs und der von Rassen per se als Merkmal moderner menschlicher Gesellschaften schlicht absurd und zerstörerisch finde.
Ich denke, das Buch ist als Leseempfehlung für jene, an denen die letzten Jahre vorbeigegangen sind, durchaus gut, weil es eben anhand der dokumentierten Beispiele gut nachvollziehbar ist, was da aktuell schiefläuft -und für mich war es in weiten Teilen schlicht Futter für meinen confirmation bias.
Der wunderbare Jonathan Pie hatte sich der Thematik was dürfen Schauspieler noch spielen der Problematik an einem realen Beispiel in Großbritannien angenommen.
https://youtu.be/qGILZ_iHzcA
Bei der Edition Tiamat kann man sich ganz viele richtig und echte Kritiken zum Buch angucken.
Ihnen Ihr Blödbabbler